Es wird wohl kaum einer bestreiten wollen, dass Toleranz auch etwas mit Fortschritt zu tun hat. So wie der technologische Wandel schnelle und teilweise auch beängstigende Veränderungen gebracht hat, haben sich daraus neue Möglichkeiten entwickelt, die die Menschheit miteinander verbinden konnten. Zum Beispiel das Telefon, das Flugzeug oder das Internet veränderten die Vorstellung von Entfernungen, die zwischen uns liegen enorm. Doch die große Weitsicht kann auch furchteinflößend sein, wenn statt Ordnung mehr Chaos unseren Alltag bestimmt. Wenn man immer mehr den Überblick für die eigenen Wertvorstellungen verliert, kann hier von verlässlicher Kontrolle kaum noch die Rede sein. Dann heißt es nur noch: "Fortschritt ja, aber bitte nicht so schnell!".


Ähnlich verhält sich dieses Bild gegenüber der Toleranz, wo ein "Nein" zu Fremdenfeindlichkeit, Homophobie oder Sexismus nicht immer selbstverständlich ist. In vielen Lehren oder Traditionen sind bestimmte Personengruppen nach wie vor nicht erwünscht. Zu sehr fürchtet man die Konsequenzen, die aus den eigenen Reihen ausgehen könnten. Denn wer als erster den Weg für mehr Toleranz einleitet, riskiert die bisherigen Werte und Vorstellungen in Frage zu stellen: Eine Veränderung, die ebenso Chaos für die Zukunft bedeutet kann. Es erfordert daher Mut etwas zu wagen und sich dem Neuen zu öffnen. Eine tolerante und pluralistische Gesellschaft baut Grenzen ab und ist eher bereit auch mal was zu riskieren. Doch wie in jedem Risiko ist ein gewisses Maß an Gleichgewicht auch hier nötig. Wer zu Extremen neigt um eine Gleichheit zu fördern, verwechselt schnell Toleranz mit persönlichen Idealen. Und solche Ideale führen wieder zu neuen Lehren und Traditionen, die bestimmte Personengruppen ausschließen können: ein Teufelskreis!
Toleranz sollte daher eher ein ständig wandelnder und dynamischer Prozess sein, wo Jedem genügend Mitspracherecht eingeräumt wird. Auch wenn das zunächst zum Streit führen sollte. Am Ende sollte aber Niemand ausgeschlossen werden. Denn nur wenn wir den Blick weiter nach vorne richten, können wir auch diese Hürde des Fortschritts irgendwann meistern.