Erst kürzlich habe ich einen zusammengeschnittenen Artikel darüber gelesen, wie einige Schauspieler sich für Ihre Rollen vorbereiten. Ich war erstaunt darüber, was manche Künstler bereit sind aufzuopfern, um einen bestimmten Charakter glaubwürdig darstellen zu können. Als Beispiel kann ich hier Adrien Brody für die Rolle als "der Pianist" nehmen. Zur Vorbereitung verkaufte er sein Apartment und sein Auto, ließ sein Telefon abstellen und verließ seine Freundin. Als die Dreharbeiten zu Ende waren, versank er in einer Depression.
Muss man wirklich erst solche Opfer bringen, um am Ende mit einem Oscar belohnt zu werden?
Ich gehe mal davon aus, dass die meisten Menschen in Deutschland nicht erst in solche dramatischen Situationen geraten müssen, um ihre Ziele zu verwirklichen. Anderseits habe ich Menschen wie Adrien noch nie getroffen, weshalb ich glaube, dass ein Leben eines solchen Stars kaum mit den kulturellen Eigenschaften eines gewöhnlichen Menschen vergleichbar ist. Doch was weiß denn ich schon, was hier als außergewöhnlich oder als normal gewertet werden kann?!
Die Welt der Unterhaltung
Um einen tieferen Einblick zu vermitteln, sehe ich mich eher als einen dieser Menschen, der am liebsten keine Risiken eingeht, um gar nicht erst in eine missliche Lage zu geraten. Ganz nach dem Motto: Sollen doch die Schauspieler, Politiker oder andere medialen Darsteller für Unterhaltung sorgen! Ich dagegen bleibe lieber in meinen behutsamen vier Wänden und schaue zu, was mir die größte Bühne der Welt weiterhin so anbietet.Beim Blick auf die Nachrichten erhalte ich in der letzten Zeit ein sehr negatives Bild voller Kriege und Hass. Es erscheint mir so, als würde sich weltweit die gesellschaftliche Stimmungslage immer weiter verschlechtern.
Es ist schon komisch, dass Jahre zuvor im Vergleich zu jetzt sich fast Alles weitaus positiver angefühlt hat. Und nun ärgere ich mich fast ununterbrochen über Dinge, die mich früher gar nicht wirklich interessiert haben.
Dabei frage ich mich immer häufiger, warum ich mir damals nicht so viele Gedanken um fremde Sitten, Preiserhöhungen, Existenzängste usw. gemacht habe?! Wo gab es überhaupt diesen entscheidenden Hebel, der meine Aufmerksamkeit in eine ganz andere Richtung gelenkt hat?
So viele Fragen und nur so wenig Zeit, um alles mal so richtig und in voller Länge beantworten zu können.
Gefangen in der Einsamkeit
Irgendwas ist auf jeden Fall anders geworden. Dabei bin ich offenbar nicht der Einzige, der glaubt sich in einer Art Stimmungstief verfangen zu haben. Mir fällt auf, dass bei sehr vielen Menschen um mich herum der Ton immer rauer wird. So als würden sich die negativen Schlagzeilen proportional dem allgemeinen Stimmungstief angleichen.Als ich heute im Fernsehen einen kurzen Bericht über Einsamkeit gesehen habe, musste ich mich direkt einmal selbst von der Seite betrachten. Dabei hieß es in einem Interview, dass bei einsamen Menschen sich die Einsamkeit weiter verstärken kann, wenn sich noch andere Menschen um einen herum aufhalten. Das diese Aussage sogar stimmen kann, erkenne ich direkt an meinem früheren selbst:
An meinem sicheren kleinen Ort, an dem ich allein für mich bin und mich nicht um die Probleme der Anderen kümmern muss, fühle ich mich sicher. Nun aber befinde ich mich an einem öffentlichen Ort und damit in der Gegenwart vieler anderer Menschen. Eigentlich habe ich mich schon darauf gefreut mal rauszugehen und etwas Neues zu erleben.
Nun sitze ich also da und beobachte die echte Welt. Es dauert nicht lange und ich fühle mich plötzlich immer durchsichtiger, bis ich mich fast vollständig im Nichts aufzulösen scheine. Statt mich auf meine Gedanken zu konzentrieren, tauchen immer mehr für mich noch neue Emotionen auf, auf die ich keine Antwort finde. Doch statt mich zu beruhigen, frage ich mich nun häufig: Bin ich dümmer, hässlicher oder einfach uninteressanter als die Anderen? Oder weshalb sonst kann ich mich in dieser Gegend nicht wirklich einbringen?
Doch statt etwas zu tun, schweige ich lieber und bewege mich sowohl körperlich als auch geistig nicht außerhalb meiner imaginären Komfortzone.
Je mehr ich mich schweigsam in fremde Unterhaltungen reinhöre, desto mehr Distanz bildet sich gegenüber Meinungen dieser Anderen, scheinbar unerreichbaren Wesen.
Hier muss es sich wohl um diese berüchtigte Abwärtsspirale handeln, in die ich mich selbst immer tiefer hineinbewege.
Schon bald habe ich das Gefühl, dass nur noch Fremde um mich herum sitzen. Unsere Blicke kreuzen sich nicht und ich glaube immer mehr, dass ich für Niemanden von Bedeutung bin. Diese trügerische Gewissheit macht mich zunehmend ratlos und ich spüre immer mehr eine Art Panik, die sich in mir ausbreitet.
Ich frage mich, was ich jetzt an dieser Lage ändern kann.
Weglaufen würde mich verraten. Also bleibe ich, um ja nicht negativ aufzufallen.
Wie ein Gefangener in meiner eigenen Unzulänglichkeit sitze ich nun wie gelähmt da.
Nicht umsonst sagt man, dass Einsamkeit Depressionen begünstigen kann. Gab es vielleicht auch bei Adrian Brody ähnliche Gründe, die ihn in die Depression bewegten?
Du verlässt deine frühere Welt, die dich zu einem großen Teil ausgemacht hat. Nun befindest du dich in einer neuen Rolle, in der du dich weder sicher, noch gut aufgehoben fühlst. Du weißt nicht, wie du deine Gefühle und Erlebnisse zum Ausdruck bringen kannst. Es ist ein Dilemma, gegen das nicht mal du selbst etwas ausrichten kannst.
Nur Mut!
Inzwischen glaube ich, dass jeder Mensch sich mindestens einmal im Leben in einem ähnlichen Stimmungstief wiederfindet. Um da wieder rauszukommen, sollten wir uns vielleicht öfter mal fragen, in welcher Rolle wir uns in der Welt da draußen eigentlich abbilden möchten.Doch gibt es hier überhaupt eine Entscheidungsmöglichkeit, die wir auf unser Selbst treffen können?
Ganz gleich, wie wir unseren trüben Schleier wieder aufhellen mögen, ein Aufgeben darf niemals eine Option sein!
Inzwischen glaube ich, dass eine zunehmende mediale Aufmerksamkeit auf die chaotische Welt da draußen ebenfalls zu einer inneren Unzulänglichkeit führen kann. Die eigene Realität als Austausch für etwas Unerreichbares aufzugeben ist bestimmt keine gute Idee. Anderseits haben wir unter Umständen schon lange verlernt, wie wir sonst noch unsere Zeit sinnvoll nutzen können.
Darum ist es für Viele ein weiter und steiniger Weg, um der Einsamkeit zu entfliehen. Bringen wir irgendwann den Mut auf uns ihr zu stellen, werden Rückschläge uns immer wieder auf unser altes Ich hinlenken.
Dann ist viel Geduld gefragt, wo der Lernprozess sich durch kleine Babyschritte langsam entwickelt muss. Doch es kann sich lohnen. Denn besondere Ziele lassen sich selten mit einfachen Mitteln erreichen. Dafür lohnt es sich dann immer wieder aufzustehen und das trotz der Schwerkraft, die uns immer wieder auf den Boden wirft.